Freuden und Fragen des Lebens

Genau zwei Jahre dauerte die Krebsbehandlung bei unserem jüngsten Sohn Leo. Zu seinem Schutz haben wir seinen Namen geändert, um über seine Tapferkeit, seine unglaubliche Reife und unseren langen Weg zu seiner Genesung berichten zu können.


Unerklärliche Schmerzen

Mehrere Wochen vor der Diagnose zeigte Leo starke Schmerzen, die sich nicht einordnen liessen. Eines Tages lag unser 4-jährige Sohn auf dem Boden, ohne sich bewegen zu können, wie eine umgedrehte Schildkröte. Er hatte zudem heftige Schmerzen am Brustbein. «Mami, ich kann nicht mehr aufsitzen!», meinte er. Wir und auch die konsultierten Ärzte konnten uns nicht erklären, was mit ihm los war. Es wurde immer schlimmer, die Schmerzen breiteten sich aus, schliesslich konnte Leo seinen linken Arm nicht mehr heben. Das Herz!, schoss es mir sofort durch den Kopf. Wir gingen mit ihm direkt auf die Notfallstation des Kinderspitals Zürich. Leo musste eine Woche im Kispi bleiben, mit Verdacht auf eine Knochenentzündung. Dank Antibiotika liessen die Schmerzen etwas nach.


Diagnose: Leukämie

Zurück zu Hause lag Leo einen Tag später wieder auf dem Sofa, ohne sich bewegen zu können. Wir fuhren sofort zum Kispi, wo sie ihm Blut entnahmen und uns für das Abwarten der Resultate nach Hause schickten. Am Nachmittag ging es Leo aber so schlecht, dass wir uns erneut auf den Weg ins Spital machten. Unterwegs rief ich im Kispi an. Die Ärztin fragte: «Haben Sie was zum Übernachten dabei, falls sie stationär bleiben müssen?» Da wusste ich: Etwas ist gar nicht mehr gut! Das war am 9. September 2021. Unser Sohn hatte Leukämie.

Dann ging es Schlag auf Schlag, ich funktionierte dabei wie ein Roboter. Für uns Eltern war nur eines wichtig: Leo sollte möglichst rasch Hilfe bekommen. Bereits am nächsten Tag wurde ihm ein sogenannter Port eingesetzt, über den er die ersten Medikamente bekam. Nach wenigen Tagen hatte Leo deutlich weniger Schmerzen.


Wenn das eigene Kind fremd wirkt

Rein optisch sah man Leo lange kaum etwas an, er verlor auch erst spät die Haare. Doch gegen Ende der Therapie nahm er innerhalb von drei Wochen zehn Kilo zu, von 19 kg auf 29 kg, alles Wassereinlagerungen aufgrund des hochdosierten Kortisons. Das war sehr schlimm für ihn. Er fühlte sich extrem unwohl in seinem Körper und konnte weder selbst ins Auto klettern noch Treppen steigen. Leo spürte jedoch deutlich, was ihm besonders guttat: Er wollte sich jeden Tag in die Badewanne legen, weil ihn da sein Gewicht weniger belastete. Es war beeindruckend, wie er intuitiv das für ihn Richtige machte.

Einmal bin ich mit ihm zur Notfallstation gefahren, weil wir Angst hatten, das viele Wasser könnte in die Lunge gelangen. Der herbeigerufene erfahrene Onkologe meinte nur beruhigend: «Machen Sie ein Foto zur Erinnerung. So werden Sie Ihr Kind wahrscheinlich nie wieder sehen. Es ist alles im grünen Bereich.»


Leo wollte alles wissen

Unser Sohn zeigte während dieser ganzen Zeit eine Reife, die uns tief beeindruckte. Nur zu Beginn der Therapie, als alles fremd und neu für ihn war und ihm häufig übel wurde von den Medikamenten, hat er sich gesträubt. Doch als er merkte, dass ihm besser ging, machte er bei allen Prozeduren ruhig mit. Er wollte allerdings immer zum Voraus genau wissen: «Mami, was kommt jetzt, was muss ich machen, und was passiert dabei mit mir?»


Wir haben ihm stets alles erklärt. Er wusste zum Beispiel ganz genau, dass er nur im Kispi die «spezielle Medizin» bekommt, die ihn wieder gesund machen würde. Sobald er das verstand, war es okay für ihn. Sein Vertrauen in uns und dass er so unglaublich reif war für sein Alter, bedeutete für uns als Eltern eine grosse Erleichterung.

Was passiert, wenn man stirbt?

Das Schwierigste war für uns, als Leo begann, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Genauso unbefangen, wie er Fragen zur Therapie äusserte, stellte er uns Fragen rund um den Tod. Was passiert, wenn man stirbt? Wo geht man hin? Wo ist die Ur-Oma? Und er sagte zu mir: «Mami, ich seh’ dich ja gar nicht mehr, wenn ich sterbe.» Wir schluckten erst leer und versuchten dann, so ruhig und neutral wie möglich diese grossen Fragen des Lebens zu beantworten. Wenn ein 4-Jähriger solche Fragen stellt, kommt man auch als Eltern nicht umhin, sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Ein Kind merkt, glaube ich, ganz genau, was es hat. Dank Leos Offenheit wussten wir immer, was gerade in ihm vorgeht und konnten direkt reagieren.


Schritt für Schritt dem Ziel entgegen

Seit der Diagnose verlief Leos Therapieplan wie im Bilderbuch. Alle Behandlungen konnten wie vorgesehen stattfinden und alle Tests zeigten die gewünschten Resultate. Das hat uns sehr geholfen, um diese schwierige Zeit auszuhalten. Sehr hilfreich war auch die Aussage einer Ärztin ganz am Anfang. Sie erklärte uns, dass ein Kind immer im Moment lebt, und dass auf einen schlechten Tag ein guter folgen darf. Dieses Wissen hat mir viel Kraft gegeben. Jede einzelne Etappe, jeder einzelne Schritt war ein kleiner Erfolg. Wir haben uns von Punkt zu Punkt vorwärts gehangelt.

So unglaublich es klingen mag, aber irgendwann wird auch eine Krebstherapie, noch dazu während einer Pandemie, zur Routine, zu einem neuen Alltag. Dann, zwei Wochen vor Abschluss der Intensivtherapie, meinte Leo zu uns: «Ich mag nicht mehr, wann ist es fertig?» Zum Glück war bereits das Ende dieser intensiven Phase in Sicht. Die anschliessende Erhaltungstherapie dauerte nochmals knapp 1,5 Jahre.


Unterwegs mit der Stiftung Sonnenschein

Während der Erhaltungstherapie besuchten wir zweimal das Sommerlager (Sola) der Stiftung Sonnenschein. Das war beim ersten Mal vor allem für Leos Geschwister sehr wichtig, weil sie ihren kranken Bruder in der Coronazeit nie im Spital besuchen durften. Im Sola konnten sie sich endlich mit anderen Geschwisterkindern austauschen, die Ähnliches erlebten, konnten unbeschwert Fragen stellen und einiges verarbeiten. Wir alle haben diese Woche unglaublich genossen und nehmen auch sonst gerne an Anlässen der Stiftung teil.


Das Zusammentreffen mit anderen Familien ist oft eine grosse Bereicherung, aber manchmal emotional anspruchsvoll, da wir einen sehr offenen Austausch leben. Dabei tauchen manchmal Ängste auf, besonders die Angst, unser Leo könnte einen Rückfall erleiden. Doch uns gehts jetzt gut und ich will mich nicht von Zukunftsängsten beeinflussen lassen.


Von allen Seiten getragen

Natürlich war die Therapie sehr intensiv und belastend für unsere ganze Familie. Doch wir sehen auch die positiven Aspekte: Wir hatten das Glück, dass wir Eltern uns flexibel organisieren und gegenseitig entlasten konnten. Wir schätzten die unkomplizierte Hilfe aus unserem Umfeld und die uns tragenden Freundschaften. Im Kispi fühlten wir uns sehr gut aufgehoben und wir sind unglaublich dankbar für die Fach- und Sozialkompetenz des Onko-Teams. Ebenfalls sehr dankbar sind wir für die vielen Angebote und die Vernetzung, welche uns die Stiftung Sonnenschein ermöglichte.


Wir erinnern uns auch gerne an die lustigen, rührenden Momente während der Therapiezeit, zum Beispiel, wie Leo mit seinem Dreirad samt Infusionsständer im Spitalgang herumkurvte. Fragt man Leo, was sein Highlight war während der Therapie, ist die Antwort klar: Im Bett essen! Und was am liebsten? Na, Spaghetti und Pizza natürlich!

Leos Mama, im November 2023



In der Schweiz erkranken jährlich etwa 300 Kinder an Krebs. Lassen Sie uns Familien wie jener von Leo helfen, indem wir ihnen Rückhalt geben und Lichtblicke schenken. Gemeinsam können wir Grosses bewirken für krebskranke Kinder und ihre Familien. Herzlichen Dank für Ihre wertvolle Unterstützung!


Vielen herzlichen Dank für Ihre wertvolle Unterstützung!


Jetzt spenden